Blutgerinnsel nach Coronaimpfung Forscher finden mögliche Ursache für seltene Hirnvenenthrombosen

In sehr seltenen Fällen lösen die Impfstoffe von AstraZeneca und Johnson & Johnson gefährliche Blutgerinnsel aus. Forschende haben weitere Erklärungen ausgemacht, woran das liegen könnte.

02.12.2021, 15.45 Uhr

Der Impfstoff von AstraZeneca
Foto: GABRIEL BOUYS / AFP
Die Corona-Impfstoffe von AstraZeneca und Johnson & Johnson werden in Deutschland nur noch für Menschen im Alter ab 60 Jahren empfohlen. Grund für die Anpassung der Impfempfehlungen war das gehäufte Auftreten von Blutgerinnseln im Gehirn bei kürzlich Geimpften.

Seit die sehr selten auftretende Komplikation bekannt ist, suchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nach der Ursache. Ein Team aus Großbritannien und den USA berichtet in einer im Fachblatt "Science Advanced" veröffentlichten Studie nun über weitere mögliche Erklärungen.

Kettenreaktion des Immunsystems

Die Forschenden gehen demnach davon aus, dass der sogenannte Plättchenfaktor 4, der zum menschlichen Gerinnungssystem gehört, eine zentrale Rolle bei der Entstehung der Blutgerinnsel spielt. Dieser wird den Analysen zufolge im Blut von den in den Impfstoffen von AstraZeneca und Johnson & Johnson als Vektoren genutzten Adenoviren wie ein Magnet angezogen und aktiviert. Das könnte eine Kettenreaktion auslösen, bei der sowohl Gerinnsel entstehen als auch Blutplättchen verbraucht werden, die für die Blutstillung gebraucht werden - es treten gleichzeitig Blutungen auf.

Diese seltene, aber schwere Komplikation wird TTS-Syndrom genannt - Thrombosen in Kombination mit einer Thrombozytopenie (Blutplättchenmangel). Aus dem aktuellen Sicherheitsbericht des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) geht hervor, dass dort bisher 189 Fälle einer Thrombose mit gleichzeitiger Thrombozytopenie nach einer Impfung mit dem AstraZeneca-Impfstoff gemeldet wurden.

Die Präparate von AstraZeneca und Johnson & Johnson - und auch der in Deutschland nicht zugelassene russische Sputnik - gehören zu den sogenannten Vektorimpfstoffen: Der Vektor oder Transporter besteht aus Adenoviren, die sich nicht vermehren, aber einen Teil der Erbinformation des Coronavirus Sars-CoV-2 quasi huckepack in die menschlichen Zellen einschleusen können. Diese stellen dann kurzzeitig ein Bruchstück des Coronavirus her, das sogenannte Spike-Protein. Im Rahmen der natürlichen Immunantwort entwickelt der Körper dann gezielte Abwehrmechanismen gegen das Spike-Protein - und man ist durch die Impfung in hohem Maß gegen Covid-19 gefeit. AstraZeneca, Johnson & Johnson sowie Sputnik nutzen verschiedene Adenoviren als Vektor.

Die Forschenden vermuten, dass der Körper außerdem den Plättchenfaktor 4 (PF4) mit Antikörpern angreift. Die Ursache könnte der Komplex aus PF4 und Adenovirus sein, den das Immunsystem als fremd einordnet. Diese "fehlplatzierte Immunität" müsse aber noch in Studien untersucht werden.

Alan Parker, einer der Forscher von der Cardiff University, sagte mit Blick auf die aktuellen Studienergebnisse zur britischen BBC News: "Was wir haben, ist der Auslöser, aber es gibt viele Schritte, die als Nächstes passieren müssen."

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Bereits im März hatten Forschende von der Universität Greifswald eine Studie veröffentlicht, die ebenfalls einen Autoimmunprozess als wahrscheinlichen Entstehungsmechanismus ausmachte. Unklar war damals, was genau die Bildung der Antikörper anstoße: die starke Entzündungsreaktion nach der Impfung oder der Impfstoff selbst, schrieb das Team um den Greifswalder Transfusionsmediziner Andreas Greinacher. Mit ihrer aktuellen Untersuchung haben die britischen und US-amerikanischen Forscher jetzt einen weiteren Beitrag zum Verständnis der seltenen Blutgerinnungsstörung geleistet.

Ebenso wie die Impfstoffe von Biontech und Moderna schützen auch die Vakzinen von AstraZeneca, Johnson & Johnson und Sputnik vor einer schweren Covid-19-Erkrankung. Wer sich mit dem Virus infiziert, hat ein ungleich höheres Risiko, Thrombosen zu bekommen, als mit Vektorimpfstoffen Geimpfte.


Quelle: spiegel.de